Dienstag, 10. September 2013

Wanderung zur Kaunergrathütte - die höchstgelegene Hütte im Pitztal

Der 4. September 2013 war ein wundervoller Spätsommertag mit Temperaturen über 20 Grad und einem wolkenlosen, strahlend blauen Himmel. Ein typischer „Altweibersommertag“ also, der sich für mein Vorhaben, endlich die höchstgelegene Hütte im Pitztal zu erklimmen, als perfekt erwies. Mit einer kleinen aber feinen Wandergruppe bestehend aus zwei Pitztaler Gästen, dem Wanderführer und mir, marschierte ich um halb neun Uhr morgens bei der Wanderung in Tirol Richtung Kaunergrathütte los. Die zwei Herren aus Mainz waren im Gegensatz zu mir bereits vor fünf Jahren schon einmal auf der Kaunergrathütte, die der Sektion Mainz des Deutschen Alpenvereins angehört. Ich staunte nicht schlecht, als sie mir ihr Alter verrieten…beide sind 72 Jahre und immer noch in Topform! Immerhin ist die reine Gehzeit zur Hütte, die sich auf 2.817 Metern befindet, mit 3,5 Stunden ausgewiesen. Wir nehmen uns vor, das Ganze gemütlich anzugehen und um ein Uhr rum oben zu sein. Sehr zur Freude unseres Wanderführers, der jede Gelegenheit nützt, uns über die Naturschätze und geologischen Besonderheiten in diesem Gebiet aufzuklären. Dies verschaffte uns zusätzliche Verschnaufpausen, denn der Weg nach oben ist steil. Besonders zu Beginn, wo der Aufstieg noch durch den Mischwald führt, kommt mir die Steigung enorm vor. Aufgrund des steilen Anstiegs haben wir schon nach kurzer Zeit einen wunderbaren Blick hinunter ins Tal und auf die gegenüberliegende Bergwelt. Dort erspähen wir die Rüsselsheimer Hütte, die bekannt dafür ist, dass sich dort immer zig Steinböcke tummeln. Auch allein schon der Anblick der Hohen Geige mit ihren fast 3.400 Metern, die oberhalb der Rüsselsheimer Hütte thront, ist ein Foto Wert. Unser Wanderführer Dominic schwärmt von dem köstlichen Steinbock-Gulasch auf der Rüsselsheimer Hütte…also ich hab sie lieber zum Ansehen als auf dem Teller!

110 Jahre Kaunergrathütte
Nachdem wir nach ca. einer Stunde die Plangerosser Alpe erreichen, beginnt für uns der angenehme Teil der Wanderung. Über ein wunderschönes Hochgebirgsplateau wandern wir an plätschernden Bächen, grasenden Kühen und zahlreichen Gebirgsblumen vorbei. Vorbei stimmt nicht ganz, denn Dominic, der nebenbei bemerkt studierter Biologie ist, erklärt uns mit Herzblut Wissenswertes zur Flora und Fauna hier oben. „Bei diesen Beeren müsst‘s aufpassen! Die sehen aus wie Heidelbeeren, das sind aber Rauschbeeren. Zu viele davon haut sogar die stärkste Kuh um!“ Apropos Kühe…das Tiroler Grauvieh, eine der ältesten Rinderrassen überhaupt.

Tiroler Grauvieh
 Wir wandern weiter fröhlich vor uns hin und sehen wunderschöne Gewächse, die jenen in Steingärten ähneln. Und tatsächlich, diese Pflanzen wachsen vorwiegend auf felsigen Untergründen. Ein Beispiel ist die „Alpen-Hauswurz“ mit ihren sternförmigen, rosettenähnlichen Blüten und ihren winzigen Haarbüscheln an den Blattspitzen. Als Dominic mit einem riesigen Blatt mit weinrotem Stiel vor uns steht, denken wir alle an Rhabarber. Tatsächlich ist es ein Alpen-Ampfer. Wir verfolgen mit Spannung seine Erzählung über den ehemaligen Gebrauch dieser Blätter. Also ganz früher noch, haben die Leute diese Blätter zum Einwickeln von Lebensmittel wie Butter verwendet und sie so verpackt im „Gletscherboden-Kühlschrank“ gelagert. Echt praktisch und essen kann man die Blätter obendrein. Das ist halt wie alles aus dem Naturgarten reine Geschmackssache.

Nachdem wir nun das Plateau überquert haben, gelangen wir zu einer Art ausgetrocknetem See mit sandigem Untergrund, wie eine Sandbank. Durch den Schlamm winden sich viele kleine Bäche, die milchiges Gletscherwasser mit sich führen. Ein absolut sehenswertes Naturschauspiel ist das Zusammenfließen dieses weiß-gräulichen Gletscherwassers mit dem klaren Quellwasser.

Zusammenfließen von Gletscherwasser mit Quellwasser
Ich könnte diesem fließenden und zugleich beruhigend wirkenden Spektakel stundenlang zusehen… Der Blick Richtung Kaunergrathütte und der dahinterliegenden imposanten Watzespitze ermuntert uns zum Weitergehen.

Blick Richtung Kaunergrathütte und Watzespitze
Jetzt können wir auch schon sehr gut die Ausläufer des Plangerossferner erkennen. Mächtig thronen die Gletscherzungen oberhalb der 3.000-Meter-Grenze und dennoch: sie gehen jedes Jahr um einige Meter zurück – teils auf natürliche Weise, teils wegen des industriell verursachten Klimawandels.

Plangerossferner
Die Strecke, die wir bis jetzt zurückgelegt haben, war vor vielen hundert Jahren noch komplett mit Gletschereis überdeckt. Die Bewegungen des Gletschers sehen wir sehr gut an einem Gesteinsbrocken entlang unseres Weges.

Gestein mit Linien vom Gletscher

Anhand der Linien können Glaziologen laut Dominic sogar erkennen, mit welcher Geschwindigkeit sich der Gletscher zurückgezogen hat.

Nach dem gletscherkundigen Erlebnis heißt es für uns nun wieder Höhe gewinnen. Noch liegt gut die Hälfte der insgesamt ca. 1.200 Höhenmeter vor uns. Die Hütte können wir aber jetzt schon sehen, auch wenn sie – wahrscheinlich aus Tarnungsgründen –  aus demselben Gestein erbaut wurde, das hier zuhauf vorkommt, das sogenannte Silikat-Gestein. Da es teilweise Eisen enthält, sind manche Steine aufgrund der Oberflächenoxidation rot gefärbt. So gibt dies in Kombination mit der Pflanzenwelt ein buntes Bild ab. Obwohl schon Spätsommer ist, sind viele Pflanzen immer noch in voller Blüte. Zwischen den Felsbrocken haben etliche Baldachinspinnen ihre Netze gesponnen. Ein Abzweigen des Weges ist also nicht gerade ratsam und wir wollen ja auch nicht das Zuhause dieser Bergbewohner zerstören.

So, nun wird es langsam wieder steiler und steiler…Der letzte Anstieg hat es nochmal in sich! Kurve um Kurve setzen wir einen Fuß vor den anderen, um mit jedem Schritt ein paar Zentimeter höher zu gelangen. Langsam beginnt mein Magen zu knurren. Was es wohl auf einer Hütte über 2.800 Metern zu essen gibt? Lebensmittel und Getränke müssen nahezu alle zwei Wochen mit dem Hubschrauber angeliefert werden, erfahre ich später beim Gespräch mit der Köchin.

Als wir freudestrahlend die Kaunergrathütte von Plangeross aus erreichen, sehen wir uns zuallererst die kleine Kapelle an, die 2010 neu errichtet wurde. Nach einem kurzen Fotoshooting ist’s nun jetzt aber endlich Zeit, die Hüttenwirtin zu begrüßen. Julia Dobler ist mit ihren 25 Jahren als jüngste Hüttenwirtin Österreichs bekannt geworden. Vor drei Jahren hat sie gemeinsam mit ihrer Mutter die Hütte erstmals gepachtet. Sie ist die Chefin da oben, die Mama ist für das leibliche Wohl der Wanderer zuständig. Und das macht sie hervorragend! Die Knödelpfanne, die ich kurz nach der Bestellung serviert bekomme, sucht seinesgleichen…mein Bild sagt mehr als tausend Worte.

Knödelpfanne
Wenn ich nach dieser Portion noch Hunger gehabt hätte, ich hätte mich durch die gesamte Speisekarte „verköstigt“, zumal auch die Preise sehr moderat sind. Ich hätte mir in dieser Höhe fast schon das Doppelte erwartet. Noch dazu ist die Wirtin recht spendabel. Gleich zwei Runden Schnaps gab’s für uns. Obendrein auch noch ein guter von der Marille!

Was die Ausstattung einer solchen Hütte betrifft, so erwartet man sich für gewöhnlich wohl keinen großen Luxus. Julia aber will’s gemütlich haben auf „ihrer“ Hütte… Auf der Terrasse kann man sich in Sitzsäcken oder auf Hängematten entspannen und dabei mit dem Blick auf die umliegende Berg- und Gletscherwelt so richtig die Seele baumeln lassen.

Gemütliche Sitzecke

Man merkt schon beim Ankommen die besondere Atmosphäre auf der Kaunergrathütte… Alles ist liebevoll dekoriert, nepalesische Gebetsfahnen flattern im Wind und wohl kaum jemand ahnt, dass die Kaunergrathütte bereits 110 Jahre alt ist.

Gemeinschaftsfoto mit Julia Dobler (3. v. l.)
Gestärkt und ausgeruht geht’s nun wieder Richtung Tal zum Ausgangspunkt in Plangeroß. Doch ohne uns nicht eingehend auf die richtige Gangart beim Runtergehen hinzuweisen, lässt uns Dominic nicht losstarten. Weich federnde Schritte mit leicht gebeugten Knien sollen wir machen, damit wir unsere Knie schonen. Und „nose over toes“ heißt’s im Wanderführer-Englisch…also zu Deutsch: die Nase über den Zehen halten, dann hat man angeblich die richtige Haltung beim Abwärtsgehen. Tatsächlich fällt mir der Abstieg so um einiges leichter und von Knieschmerzen keine Spur!

Die Erinnerung an diesen Tag und die Hüttenwanderung im Pitztal wird mir wohl ewig bleiben. Ich bin schon gespannt, nein eigentlich bin ich mir sicher, dass mir der Pitztaler Winter ein ähnlich schönes Erlebnis bieten wird…

Margret Winkler, PR und Marketing

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